Kannst Du mal die Leber halten?
Ein ehrlicher Blick auf Jagd und Natur im Rahmen des bundesweiten Vorlesetages
Zum bundesweiten Vorlesetag lud Kreisjagdmeister Bernd Schneider eine kleine Grundschule im Westerwald in seine stimmungsvoll vorbereiteten Räumlichkeiten ein: große Kerzenleuchter tauchten den Raum in warmes Licht, aufgereihte schmiedeeiserne Stühle und die geöffnete Rollende Waldschule boten einen passenden Rahmen. Draußen herrschte klirrend-klares Winterwetter – ideal für eine Lesung, die tief in die Welt der Jagd führte. Bernd Schneider las sehr eindrucksvoll aus Dr. Florian Asches Kinderbuch „Kannst du mal die Leber halten“, das sich wohltuend von gängigen Naturbüchern abhebt. Hübsche Zeichnungen und kleine Abenteuergeschichten gibt es zuhauf. Doch sobald es ernst wird – sobald es um die Jagd, um Verantwortung, Tod und Kreislauf geht – enden die meisten Kinderbücher abrupt. Im Mittelpunkt dieses Bilderbuches für „Kinder und Eltern, die erwachsen werden wollen“, stehen ein alter Mann und ein kleines Mädchen. Es begleitet die beiden auf ihrem ersten gemeinsamen Gang ins Revier. Es ist ein stilles, fast meditatives Buch, das die Schönheit der Natur nicht nur abbildet, sondern sie ernst nimmt – mit all ihren Konsequenzen. Gemeinsam lauschen sie den Stimmen der Vögel in Wald und Feld, erleben einen Morgenansitz – und sie machen Beute. Am erlegten Rehbock macht das Buch weiter, da, wo andere aufgehört hätten: Es redet nicht darum herum, sondern benennt das Wesentliche: Werden und Vergehen. Leben und Sterben, Verantwortung und Achtung. Der alte Mann erklärt seiner Enkelin, warum der Tod kein Feind ist, sondern Teil eines großen Prinzips, ein Schlüssel zur Erneuerung der Welt. Diese Ehrlichkeit macht das Buch so wertvoll. Wie offen Kinder mit diesen Themen umgehen, zeigte die spontane Reaktion einer Erstklässlerin: „Das Buch beschreibt ja eigentlich den Kreislauf des Lebens.“ Und weil Jagd nur dann verstanden wird, wenn man sie zeigt und nicht versteckt, brachte die Schulleiterin – selbst Jägerin – ein ganz besonderes Anschauungsstück mit: eine frische Rehleber, Wer wollte, durfte sie aus nächster Nähe betrachten und auch anfassen. So wurde aus der Lesung ein eindrucksvoller Moment jagdlicher Bildungsarbeit: ehrlich, unverblümt und respektvoll. Denn wer Jagd als Kreislauf des Lebens begreifen will, muss sie sehen dürfen.


